Direkt zu den Inhalten springen

Reformationstag – Zeitenwende

Pressemeldung

Wie aktuell ist das? Wie weit ist Leid von uns weg? Krieg in Israel, Krieg in der Ukraine, Krieg in Europa? Es gibt einen inneren Zusammenhang.

Goethe, Faust I, 1808: „Nichts Besseres weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen, als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei. Wenn hinten, weit, in der Türkei, die Völker aufeinanderschlagen. Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus.“

Pistorius, deutscher Verteidigungsminister, 29.10.2023: „Wir müssen uns an den Gedanken gewöhnen, dass die Gefahr eines Krieges in Europa drohen könnte. Wir müssen kriegstüchtig werden. Wir müssen wehrhaft sein.“

Die Staatsraison Deutschlands verlangt aus wichtigem Grund die Unterstützung des israelischen Staates und den uneingeschränkten Schutz von Menschen jüdischen Glaubens im Staat Israel, in der Welt und in Deutschland und die stetige Sorge um den Bestand jüdischen Lebens, jüdischer Kultur, jüdischen Seins.

Über das Wie ist, durchaus nicht neu, in Deutschland ein ideologischer Streit entbrannt, besonders brisant deshalb, weil Deutschland grenzenlos offen war und ist für Menschen jeglichen Glaubens, jeglicher Bildung, jeglicher Sozialisierung, mit jeglichem Menschenbild, mit jeglichem Staats- und Demokratieverständnis, jeglichen Weltverständnisses, jeglicher Religion, jeglicher Form des Atheismus….

Es konnte nicht ausbleiben, dass Menschen mit ganz gegensätzlichen Blicken auf das Zusammenleben in der Gemeinschaft, ihre angelernte Weltsicht, ihr Verständnis von Menschenwürde mit nach Deutschland bringen und hier Gegensätze aufeinanderprallen, die in den Herkunftsregionen seit langem zu permanenten gewalttätigen Auseinandersetzungen führten und führen.

Wenn bei diesen Auseinandersetzungen deutsche Staatsbürger bedroht oder sogar körperlich versehrt werden, wenn „Trittbrettfahrer“ einen importierten Antisemitismus für ihre niedrigen Ziele nutzen, dann ist es nicht ausreichend, wenn führende Politiker die Bürger dieses Landes zur Solidarität, zur wehrhaften Bürgerpflicht mit dem Ziel, jüdisches Leben in Deutschland zu schützen, aufrufen. Diejenigen, die eben dieses jüdische Leben aus Deutschland vertreiben wollen, können in ihrer Aggressivität nicht von Frauen und Männern gestoppt werden, ohne ihr eigenes leben zu gefährden. Darauf weist die Polizei in jedem anderen Zusammenhang immer wieder hin: Deeskalation, sich selbst und andere aus dem Gefahrenbereich verbringen und die Sicherheitsorgane anfordern.

Natürlich ist es nicht möglich, alle gefährdeten Menschen als Gruppe oder Einzelperson zu schützen. Jede sich abzeichnende Gefahr muss durch die Sicherheitsorgane beseitigt werden, um Gruppen und Einzelpersonen gar nicht erst in Gefahr geraten zu lassen. Menschen und Vereine, gleich ihrer Herkunft, die nicht auf dem Boden unseres Grundgesetzes stehen, dürfen hier in Deutschland nicht aktiv sein und können hier nicht leben.

Wir wissen, dass in solchen Auseinandersetzungen immer Unbeteiligte, Kinder, Alte, Kranke und Behinderte besonders gefährdet sind. Auch sie sind als Einzelpersonen nicht zu schützen. Sie müssen sich darauf verlassen können, dass ihnen in einer tatsächlich friedvollen Umgebung Teilhabe ermöglicht wird. Dies betrifft alle Menschen „guten Willens“, gleich welchen Glaubens oder Nichtglaubens, gleich welcher persönlichen Orientierung im zwischenmenschlichen Zusammenleben, die hier in Deutschland ihre Heimat sehen und an unserer solidarischen Gesellschaft, an unserem sozialen Gemeinwesen im grundgesetzlich vorgezeichneten Rahmen Anteil haben wollen.

Sie alle sind schutzwürdig und müssen auf die Fähigkeit des Staates vertrauen, diesen Schutz in der Tat, nicht nur mit dem Wort, jederzeit und unter allen Bedingungen zu gewährleisten.

Wir, der Sozialverband Deutschland-SoVD in Mecklenburg-Vorpommern und seine Mitglieder, sind parteipolitisch nicht gebunden, müssen keine Ideologie vertreten und auch keine Religion. Wir haben nur Frieden und Solidarität für alle Menschen zum Ziel.
Wir halten Toleranz für sehr wichtig, unterwerfendes Kleinbeigeben unterstützen wir nicht.
Wir halten es für falsch, zwischenstaatliche, interreligiöse und sonstige Zwistigkeiten durch Krieg zu lösen. Nur das Gespräch, die Suche nach Verständnis und der Glaube an das Recht eines jeden Menschen, sich in einer Gesellschaft nah deren Regeln zu entfalten, können ein auskömmliches Miteinander auf dieser einen, kleinen unserer Erde sichern.

Am Reformationstag lassen Sie uns alle in den Kirchen oder an anderen Orten, daran denken, dass keine Idee, keine Religion und keine Ideologie es wert ist, Millionen von Menschen aus ihrem Leben zu reißen: fast die Hälfte der Bevölkerung im dreißigjährigen Krieg, etwa 9 Millionen, 17 Millionen im 1. Weltkrieg, 70 Millionen im 2. Weltkrieg.

Denken wir an Brecht, 26.09.1951: „Das große Karthago führte drei Kriege. Es war noch mächtig nach dem ersten, noch bewohnbar nach dem zweiten. Es war nicht mehr auffindbar nach dem dritten.“

Jedes Gespräch ist mehr wert als 1000 Siege! Die UN hat dies oft und auch vor wenigen Tagen in einer Resolution zu einem Waffenstillstand im Nahost so niedergelegt. Die Zeit, in der der Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln war, ist vorüber.

Wir unterstützen alle nicht kriegerischen Bemühungen zur Beendigung des Krieges in Nahost und zur Sicherung unseres demokratischen Gemeinwesens in Deutschland in Frieden und Freiheit.
Den Menschen jüdischen Glaubens, die in Deutschland leben, hier arbeiten, studieren oder als Gast bei uns weilen, versichern wir unsere Solidarität.

An die politischen Verantwortlichen in unserem Bundesland appellieren wir zum wiederholten Male, keine Toleranz gegenüber denen zu üben, die Menschen jüdischen Glaubens oder anderen Menschen Leid zufügen.

Dr. med. Helmhold Seidlein
SoVD - Landesvorsitzender Mecklenburg-Vorpommern