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Sanktionsmoratorium

Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung eines Sanktionsmoratoriums im SGB II

1 Zusammenfassung des Gesetzentwurfs

Das Bundesverfassungsgericht hatte im Jahr 2019 eine Neuregelung der bisherigen Sanktionspraxis gefordert. Der vorliegende Gesetzentwurf soll die geltenden Sanktionsregelungen bis zum Jahreswechsel 2022 befristet außer Kraft setzen, bis die Mitwirkungspflichten im Zuge der Einführung des Bürgergeldes neu geregelt werden.

2 Sozialstaat

Neben der Bedürftigkeitsprüfung unterliegt der Bezug von Arbeitslosengeld II strengen Zumutbarkeitskriterien sowie Sanktionsnormen. Wer Arbeitslosengeld II bezieht, ist grundsätzlich verpflichtet, jede Arbeit anzunehmen. Wer sich nicht regelkonform verhält, soll durch Sanktionen zu Verhaltensänderungen veranlasst werden. Die Sanktionsregelungen in Kombination mit der fast uneingeschränkten Zumutbarkeit von Arbeitsverhältnissen und den weit gefassten Mitwirkungspflichten haben in der Vergangenheit wesentlich dazu beigetragen, dass sich der Druck auf Arbeitslose sowie auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stetig erhöht hat.

Als Sanktionen sieht das Gesetz Leistungskürzungen bis hin zur vollständigen Leistungsstreichung vor (§31a, §32 SGB II). Dies ist allein schon deshalb problematisch, weil mit dem Arbeitslosengeld II lediglich das Existenzminimum abgesichert wird. Das Bundesverfassungsgericht hatte im November 2019 daher entschieden, dass das Arbeitslosengeld II bei Pflichtverletzungen höchstens um 30 Prozent gesenkt werden darf (AZ: 1 BvL 7/16). Eine Kürzung um 60 Prozent oder die komplette Streichung der Leistung bei wiederholten Regelverstößen ist jedoch mit dem Grundgesetz unvereinbar. Der SoVD unterstützt diese Auffassung ausdrücklich und betont, dass bei der Überarbeitung der Sanktionen zwingend darauf geachtet werden muss, dass das Existenzminimum stets gewahrt bleibt. Darüber hinaus muss auch die Benachteiligung von jungen Menschen unter 25 Jahren bei der Neuregelung strikt ausgeschlossen werden.

Dass die Bundesregierung endlich eine Neuordnung der Sanktionspraxis vorantreibt, welche die Anregungen des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigt und somit für Rechtssicherheit für alle Beteiligten sorgt, begrüßt der SoVD ausdrücklich. Eine Abschaffung bzw. kurzfristige Aussetzung sämtlicher Mitwirkungspflichten wird allerdings kritisch gesehen. Sanktionierende Maßnahmen sollten in Folge von anhaltender gravierender Pflichtverletzung als Ultima Ratio weiterhin möglich sein. Entsprechend begrüßt der SoVD die Ankündigung im Koalitionsvertrag, dass die Mitwirkungspflichten auch im neuen Bürgergeld grundsätzlich erhalten bleiben sollen.

An dieser Stelle sei jedoch darauf hingewiesen, dass das geplante Bürgergeld zwar wichtige Verbesserungen wie beispielsweise die Durchlässigkeit zwischen SGB II und SGB III oder den Wegfall des Vermittlungsvorrangs mit sich bringen wird, im Gegenzug seiner Intention zur Überwindung von Hartz IV aber nur gerecht werden kann, wenn darüber hinaus auch die Methodik zur Berechnung und Fortschreibung der Regelsätze reformiert und die Grundsicherung auf ein angemessenes Niveau angehoben wird.

Berlin, den 02.03.2022
DER BUNDESVORSTAND
Abteilung Sozialpolitik